Wednesday, November 15, 2006

Die richtige Entscheidung?

Wir stehen am Flughafen und albern herum. Die anderen zumindest. Ich sitze in der Wartehalle und starre ins Leere. Ist es das Wert? frage ich mich.

Vor vier Stunden saßen wir noch bei mir zu Hause und haben meinen Koffer gepackt. "Hast Du alles eingepackt?" hat meine beste Freundin Irish mich gefragt und ich ging in Gedanken meine Checkliste durch. "Ja, ich glaube schon. Alles, was ich nicht eingepackt habe, kann ich dort kaufen" sage ich glücklich und setze mich, nachdem ich den Koffer verschlossen habe, auf die Couch, um eine Zigarette zu rauchen. Sie tut es mir gleich und strahlt mich an. "Ich kann's noch gar nicht richtig glauben! Wir fliegen mit ihnen nach Hause!" sagt sie glücklich und lässt einen Jubelschrei von sich. Meine Zweifel begannen in diesem Moment. Mit ihnen nach Hause fliegen, ging es mir durch den Kopf. Ist es wirklich das, was ich will? Will ich wirklich mit ihm - nach nur zwei gemeinsamen Wochen - "durchbrennen", wie man so schön sagt? Meine Zweifel wurden größer, als mein Bruder vor meiner Tür steht. "Ist das wahr?" fragt er, noch bevor ich ihn begrüßen kann. "Kommt drauf an, was Du meinst" sage ich scheinheilig und merke, wie die Wut in ihm aufsteigt. "Du kennst den Kerl gerade mal zwei Wochen und willst schon zu ihm ziehen?" sagt er, während er mir ins Wohnzimmer folgt. Die Haustür schlägt zu, lauter als gewöhnlich und ich merke, dass mein Bruder sauer ist. "Habe ich denn eine andere Wahl?" frage ich und setze mich wieder auf meine Couch. "Man hat IMMER eine andere Wahl!" sagt er energisch und läuft im Wohnzimmer auf und ab wie eine Raubkatze.

Irish verabschiedet sich um ihre Sachen zu Hause zu holen und verspricht mir, in zwei Stunden zurück zu sein, damit wir zusammen zum Flughafen fahren können. Mein Bruder statt dessen läuft noch immer im Wohnzimmer auf und ab.

"Kannst Du Dich bitte setzen? Du machst mich ganz nervös." sage ich kleinlaut und warte auf eine Moralpredigt. "Antonia, Du kannst doch nicht... nach zwei Wochen... zu nem Typen ziehen, den Du nicht einmal kennst! Auch noch außer Landes!" sagt er, als er sich neben mich setzt. Er legt seine Hand auf mein Knie und schaut mich bettelnd an. "Aber ich glaube, dass ich ihn gern habe" sage ich entschuldigend, worauf ich von ihm ein "ich mag auch Jennifer Aniston und ziehe nicht in die USA!". Das reicht! "Hey, nur, weil ich endlich jemanden gefunden habe, der mich behandelt, als sei ich die schönste Frau auf der Welt, und der mich bittet, vorübergehend zu ihm ziehen, um zu sehen, ob das mit uns wirklich klappen könnte, heißt das doch wohl noch lange nicht, dass wir uns aus den Augen verlieren!" - "Ich will doch nur nicht, dass er Dir weh tut!" sagt mein Bruder. "Hör mal, ich bin alt genug, um meine eigenen Fehler zu machen. Du hast Deine Fehler auf diesem Gebiet schon gemacht. Ich nicht. Kannst Du denn nicht verstehen, dass es DAS ist, was ich will? Das ich mit ihm zusammen sein will?"

Jetzt, wo unser Flug aufgerufen wird, kommen mir wieder diese Zweifel. Will ich das wirklich? Will ich mit ihm zusammen sein? Obwohl ich weiß, dass er die meiste Zeit unterwegs sein wird, dass ich die meiste Zeit mit seiner Familie als mit ihm verbringen werde? Will ich das wirklich?

"Honey, it's time" sagt er, als er meine Hand nimmt. Ich schaue ihn erschrocken an. "Honey? What's wrong?" fragt er, als er meinen Blick sieht. "I... I think, I can't." sage ich, als ich aufstehe. "You can't... what?" - "I can't come with you." sage ich kleinlaut und beginne, ihn verschwommen zu sehen. "What are you talking about, luv? How... why... what's wrong?" fragt er wieder und sein Blick ist plötzlich nicht mehr ruhig und glücklich, sondern hasserfüllt. "I'm sorry. I'm not that sure anymore" sage ich und gehe einen Schritt zurück. "What?" - "It's just... When we'll be in Sweden, you'll realise, that I'm not the girl you want to be with for the rest of your life. You'll meet another lass and I'll have to get back on my own. I'm not the right girl for you" sage ich, mehr als Selbstschutz. Ich weiß, dass ich scheiße rede...

"You can't be serious!" sagt er und er sieht verzweifelt aus. Ich fühle, wie mir eine Träne die Wange herunterläuft und dass die Passanten um uns herum anfangen, komisch zu schauen, doch das ist mir gerade egal. Ich versuche gerade, meinen Traummann zu verlassen... bevor er mich verlässt.

"Luv, can we talk about it, when we're at home?" fragt er und zeigt dabei in Richtung des Gates, an dem unser Flieger auf uns wartet. "I'm just trying to do the right thing, for both of us" sage ich, als ich meinen Rucksack nehme und mich umdrehe. "Antonia!" ruft er mir hinterher und ich höre seine Schritte, wie sie mir folgen. Er stellt sich vor mich. "The right thing is to come with me to Sweden! We'll be happy for the rest of our lives! Believe me! What's the matter??" sagt er und hält mich an den Schultern fest. "I love you. But I'm not the girl you're looking for" sage ich weinend und schiebe mich an ihm vorbei.

Während ich weiterhin weinend mein Handy aus der Jackentasche krame, um meinen Bruder anzurufen, höre ich ihn hinter mir rufen: "I'll wait for you at the airport. Tomorrow! I LOVE YOU!".

Bei seinen letzten Worten, bleibe ich stehen und drehe mich langsam um. Ich schaue ihn an und frage ihn: "How do you know, if you love me? How can you be so sure about it?" - "Because!" sagt er, während er mich weiterhin verzweifelt anschaut. Ich beginne zu lächeln und denke, dass ich ja auch von Schweden aus meinen Bruder anrufen kann...

Saturday, November 11, 2006

Ich dachte...

"Höchste Zeit, hier zu verschwinden" denke ich, doch als ich aufstehe und nach meiner Jacke greife, hält er mich am Handgelenk fest.

"Wo willst Du hin?" fragt er mit diesem Ton in der Stimme, der an ein weinerliches kleines Kind erinnert. "Weg!" sage ich ziemlich ruppig und reiße förmlich meine Hand von ihm. "Ich dachte, wir könnten mal kurz reden" sagt er und schon lange hat mich niemand mehr so traurig angeschaut.

Er sitzt noch immer in diesem braunen Sessel, seit drei Stunden. Drei geschlagene Stunden sitzt er da und starrt mich an, während er Akkorde auf seiner Gitarre schlägt, und sagt kein Wort. Ich könnte schwören, er hat er mir ein Loch in den Kopf gestarrt. Was will er eigentlich?

In seinen dunkelblauen Jeans und dem schwarzen Hemd sieht er gar nicht mal so schlecht aus, dass muss ich zugeben. Seine blauen Augen kommen dadurch unter seinen dunkelblonden Haaren erst richtig gut zur Geltung. Die neue Frisur steht ihm gut, sie betont sein männlich-markantes Gesicht, seine Wangenknochen und sein von ihm so verhasstes eckiges Kinn. Ich war schon immer der Meinung, dass er ein schöner Mann sei, bis gestern.

"Worüber willst du denn reden?" beginne ich, während ich meine Jacke anziehe und in den Jackentaschen nach meinen Zigaretten suche. Er legt seine Gitarre zur Seite und steht auf, stellt sich vor mich und hält mir sein Päckchen Zigaretten hin. Ich nehme eine und stecke sie mir an. "Können wir unter vier Augen reden?" fragt er zurück und so langsam bekomme ich ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Statt zu antworten, kann ich nur leicht nicken. Was will er eigentlich?

Wir verlassen die Party und wir stehen vor meinem Wagen. "Wohin?" frage ich, während ich die Fahrertür öffne. "Zu mir oder zu Dir?" fragt er dreist lächelnd, doch als er meinen angepissten Gesichtsausdruck sieht, entschuldigt er sich. "Das sollte ein Scherz sein. Lass uns ins Pub gehen, ich brauche ein anständiges Bier und gute Musik" sagt er und zieht seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche.

Wir sitzen im Pub und trinken unser Bier. Wir sitzen seit zehn Minuten im Pub und noch immer hat er nichts gesagt. "Was willst Du eigentlich?" frage ich ihn schließlich, als ich mein Bier absetze. "Das weißt Du doch" sagt er und schaut mich mit gesenktem Kopf an. Ich schaue ihn mit meinem "Würde ich dann fragen?"-Blick an und er beginnt, ungeduldig auf dem Stuhl zu rutschen.

"Ich weiß, dass Du mich gestern gesehen hast" fängt er schließlich an. "Und?" frage ich wieder ziemlich ruppig und diesmal auch ungeduldig. "Es tut mir leid." sagt er und greift nach meiner Hand. Ich entziehe sie ihm und verschränke die Arme. "Das muss Dir nicht leid tun. Es kann nunmal nicht alles so laufen, wie ich es mir erträume" sage ich frei heraus und bereue gleichzeitig, dass ich das gesagt habe. Er beginnt zu lächeln und rückt mit dem Stuhl etwas näher. "Wie Du es Dir erträumst? Darf ich fragen, was das für ein Traum ist?" fragt er neugierig und in seinen Augen spiegelt sich das Kerzenlicht.

Ich atme tief ein und spiele am Etikett der Bierflasche, doch ich sage nichts. "Du machst das nur, wenn Du nervös bist. Was ist los?" fragt er. In diesem Moment kommt mir "Carpe diem" in den Sinn und die Frage "Was habe ich denn schon zu verlieren?" schießt mir durch den Kopf. Ich atme tief ein und lege los:

"Ich mag Dich. Ich mag Dich wirklich. Man kann sogar sagen, dass ich Dich sehr gerne habe. Als ich Dich das erste Mal gesehen habe stand für mich die Zeit still. Ich will nicht sagen, dass es Liebe auf den ersten Blick war, aber als ich Dich auf diesem Konzert gesehen habe, schien sich die Menge zu spalten, so, als wollte irgendeine größere Macht, dass ich Dich auf jeden Fall bemerke. Mein Kopf war auf einmal leer und ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an Dein Lachen. Den ganzen Abend habe ich Dich im Auge behalten, in der Hoffnung, Du würdest mich irgendwann bemerken und als Du dann plötzlich vor mir stands, dachte ich, ich würde aufhören zu atmen oder dass sich die Erde auftun würde, damit ich in ihr verschwinden und mit ihr verschmelzen kann."

Während meines Geständnisses kann ich ihn nicht anschauen, aus Angst, ich könnte die Reaktion bekommen, die ich nicht haben will. Ich will meinen Traum nicht verlieren, aber warum soll ich ihm das alles verschweigen, wenn ich in der Tat nichts zu verlieren habe?

Ich nehme einen großen Schluck von meinem Bier und stecke mir eine Zigarette an.

"Ich habe die Leute dafür bezahlt" sagt er schließlich nach einer halben Ewigkeit der Stille. "Was? Wofür hast Du sie bezahlt?" frage ich und reibe mir die Druckstellen der Brille auf meinem Nasenrücken. "Dass sich die Menge spaltet, damit Du mich endlich siehst". Er spricht sehr ruhig im Gegensatz zu mir. Ich schaue auf und sein Augen funkeln, diesmal nicht vom Kerzenschein. Ich muss lächelnd. "Was?" - "Okay, ich habe ihnen kein Geld gegeben, aber ich habe ihnen gedroht." spricht er weiter und ich muss kurz lachen. "Es waren mindestens 2.000 Leute anwesend." - "Aber das klingt doch toll, oder? Ich habe Dich vor der Halle schon bemerkt und als ich Dich nach dem Konzert am Ausgang gesehen habe, habe ich ohne ein Wort zu sagen meine Freunde alleine gelassen und bin hinter Dir her. Ich wollte meine letzte Chance, Dich kennen zu lernen, nicht verpassen" flüstert er während er seine Hände flach auf den Tisch legt.

"Warum?" frage ich, und diesmal klinge ich wie ein weinerliches kleines Kind. Was er gerade gesagt hat, ist wunderschön und dennoch verstehe ich es nicht. Er ist schöner Mann, er könnte tausende von bildschönen Frauen haben. Warum wollte er MICH kennenlernen?

"Du hast eine wunderschöne Aura" sagt er und ich verschlucke mich fast an meinem Bier. "Was??" frage ich entsetzt. "Manchmal sind Fragen, die mit 'Warum' beginnen irrelevant. Warum akzeptierst Du es nicht einfach?" - "Weil... ich das nicht kann. Ich will nicht akzeptieren, dass DU mich kennen lernen wolltest..." beginne ich und hasse mich dafür.

"Warum ist das so abwegig? Du bist hübsch, hast wundervolle Augen, einen wunderschönen Mund, eine Ausstrahlung, die der Sonne Konkurrenz machen könnte..." Jetzt werde ich rot. Ich halte meine Hand vor's Gesicht und bitte ihn, aufzuhören. "Warum willst Du, dass ich aufhöre? Honey, ich versuche Dir gerade krampfhaft klar zu machen, dass ich mir eine Zukunft mit Dir vorstellen könnte, mit allem pi-pa-po und Du willst, dass ich damit aufhöre?" er klingt verzweifelt. "Honey?" frage ich und nun ist es an ihm, rot zu werden. Ich muss lächeln, denn bisher hat mir noch nie jemand einen Spitznamen auf diesem Gebiet verpasst, bis auf das übliche "Schatz". "Ja... also... als wir uns das erste Mal getroffen haben, hattest Du einen leichten Honiggeruch an Dir. Und da ich Anfangs ja nicht wusste, wie Du heißt, habe ich Dich in Gedanken 'honey' geannt." erklärt er mir kleinlaut. "Wie hast du mich denn genannt?" fragt er schließlich, als ich nichts sage und nur lächle. "Du warst mein blonder Engel" sage ich und als er nach meiner Hand greift, entziehe ich sie ihm nicht mehr. "Bin ich das noch immer?" fragt er und als ich seine Hand drücke, versteht er, dass er es immer sein wird.